Ist fehlende Data Governance zum grössten KI-Hindernis geworden?

Ist fehlende Data Governance zum grössten KI-Hindernis geworden?

Eine Studie mit über 565 Daten- und Analytics-Fachleuten weltweit zeigt einen bemerkenswerten Trend: Data Governance entwickelt sich vom vernachlässigten Randthema zum kritischen Erfolgsfaktor für KI-Projekte. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache.

Der dramatische Anstieg

2023 sahen noch 27% der befragten Unternehmen Data Governance als wesentliches Hindernis für ihre Daten- und KI-Initiativen. 2024 sind es bereits 51%. Das entspricht einem Anstieg von 89% innerhalb nur eines Jahres.

Diese Entwicklung ist kein Zufall. Sie spiegelt die Realität wider, mit der viele Unternehmen gerade konfrontiert werden: Je ambitionierter die Datenvorhaben, desto deutlicher werden die Governance-Lücken.

Mehr Programme, mehr Probleme

Paradoxerweise steigt die Zahl der formalen Data-Governance-Programme parallel zu den Problemen. 71% der Organisationen verfügen 2024 über ein solches Programm, verglichen mit 60% im Vorjahr. In den USA liegt der Anteil sogar bei 74%.

Das zeigt ein typisches Muster: Erst wenn man anfängt, Governance systematisch anzugehen, wird die wahre Komplexität sichtbar. Regeln zu definieren ist eine Sache. Sie durchzusetzen, zu überwachen und zu skalieren eine völlig andere.

KI als Katalysator

Besonders im Kontext von KI-Initiativen wird Governance zum Flaschenhals. 62% der Befragten sehen hier das Haupthemmnis. Das hat mehrere Gründe:

Generative KI und maschinelles Lernen stellen höhere Anforderungen an Datenherkunft und -qualität. Ohne nachvollziehbare Datenlineage entstehen Black-Box-Modelle, denen niemand vertraut.

Regulatorische Anforderungen wie der EU AI Act verschärfen die Compliance-Anforderungen erheblich. Was früher "nice to have" war, wird heute zum rechtlichen Risiko.

Die Skalierung von KI-Anwendungen erfordert konsistente Datenstandards über verschiedene Systeme und Teams hinweg. Ohne zentrale Governance entstehen Datensilos und Inkonsistenzen.

Die konkreten Vorteile sind messbar

Unternehmen mit funktionierender Data Governance berichten von handfesten Verbesserungen:

  • 58% sehen bessere Datenqualität
  • 58% haben verbesserte Analysen und Insights
  • 57% erleben mehr Zusammenarbeit zwischen Teams
  • 50% erreichen bessere Compliance
  • 36% haben schnelleren Datenzugriff

Diese Zahlen zeigen: Data Governance ist kein Selbstzweck, sondern ein direkter Werttreiber.

Das Vertrauen schwindet

Gleichzeitig wächst das Misstrauen in die eigenen Daten. 77% der Befragten vertrauen ihren Daten für Entscheidungen nicht uneingeschränkt. 2023 waren es noch 55%. Ein Anstieg, der nachdenklich macht.

Die Gründe dafür sind vielschichtig: 49% beklagen fehlende Tools zur Automatisierung von Data-Quality-Prozessen. 45% kämpfen mit inkonsistenten Datenformaten. 43% sehen sich von wachsenden Datenmengen überfordert.

Neue Technologien gewinnen an Bedeutung

Die Antwort vieler Unternehmen sind moderne Datenarchitekturen. Data Mesh und Data Fabric stehen bei 18% der Befragten auf der Prioritätenliste, verglichen mit 13% im Vorjahr. Data Catalogs, neu aufgenommen in die Studie, priorisieren bereits 25%.

Diese Technologien versprechen mehr Flexibilität und Skalierbarkeit. Aber sie erhöhen auch die Governance-Komplexität. Dezentrale Datenverantwortung im Data Mesh erfordert klare Ownership-Modelle. Data Catalogs sind nur so gut wie ihre Metadaten-Governance.

Der Fachkräftemangel verschärft die Lage

60% der Befragten nennen Fachkräftemangel und Ressourcenknappheit als wesentliche Hindernisse bei der KI-Einführung. Das Problem: Data Governance erfordert sowohl technisches Know-how als auch organisatorische Fähigkeiten. Diese Kombination ist selten und teuer.

Viele Unternehmen unterschätzen den Change-Management-Aspekt von Data Governance. Es reicht nicht, Tools zu implementieren und Prozesse zu definieren. Die Menschen müssen mitgenommen werden.

Was das für die Praxis bedeutet

Der Sprung von 27% auf 51% bei den Governance-Hindernissen ist mehr als eine Statistik. Er zeigt, dass Data Governance 2024 vom Randthema zur strategischen Notwendigkeit geworden ist.

Unternehmen, die diesen Trend ernst nehmen, sollten drei Dinge beachten:

Erstens: Governance nicht nur technisch, sondern auch kulturell angehen. Die besten Tools helfen nichts, wenn Teams sie nicht nutzen oder umgehen.

Zweitens: Automatisierung konsequent einsetzen. Policy Engines, Data Lineage Tools und automatisierte Quality Checks reduzieren den manuellen Aufwand erheblich.

Drittens: Governance als Enabler kommunizieren, nicht als Bremse. Teams müssen verstehen, dass gute Governance KI-Projekte beschleunigt, nicht behindert.

Fazit

Die Studie zeigt einen klaren Trend: Data Governance wird 2024 zur kritischen Infrastruktur für datengetriebene Unternehmen. Wer jetzt nicht handelt, riskiert nicht nur gescheiterte KI-Projekte, sondern auch regulatorische Probleme und Vertrauensverlust.

Die gute Nachricht: Die Vorteile sind messbar und die Technologien verfügbar. Es fehlt nur noch der Mut, Governance nicht als notwendiges Übel zu sehen, sondern als Wettbewerbsvorteil zu begreifen.

Die Zeit der "Quick Wins" ohne solide Datenbasis ist vorbei. 2024 gewinnen die Unternehmen, die ihre Hausaufgaben bei Data Governance gemacht haben.

Über die Studie

Die Untersuchung "2025 OUTLOOK: Data Integrity Trends and Insights" entstand durch eine Kooperation zwischen Precisely, einem globalen Anbieter für Datenintegritätslösungen, und dem Center for Applied AI and Business Analytics der LeBow College of Business an der Drexel University.

Diese Partnerschaft ist durchaus interessant: Die Drexel University ist eine etablierte Forschungsuniversität (R1-Status) in Philadelphia, gegründet 1891, die für ihre praxisnahe Ausbildung im Bereich Wirtschaft und Technologie bekannt ist. Das LeBow College of Business ist AACSB-akkreditiert und gilt als renommierte Wirtschaftsfakultät mit starkem Fokus auf angewandte Forschung.

Precisely bringt als Technologieunternehmen praktische Marktexpertise mit, während die akademische Seite methodische Solidität gewährleistet. Diese Kombination aus Praxisnähe und wissenschaftlicher Rigorosität macht die Ergebnisse besonders relevant für Praktiker.

Allerdings sollte man im Hinterkopf behalten, dass Precisely als Anbieter von Data-Governance-Lösungen ein natürliches Interesse daran hat, die Bedeutung dieses Themas zu unterstreichen. Die Zahlen sprechen dennoch für sich und decken sich mit Beobachtungen aus anderen Quellen und der täglichen Praxis vieler Unternehmen.

Die vollständige Studie kann hier abgerufen werden:
https://www.lebow.drexel.edu/sites/default/files/2024-09/drexel-lebow-precisel-data-integrity-trends-insights-2025-outlook.pdf

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